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23.04.2017 - Hamburg Marathon - Hagel ist der neue Bestzeiten-Boost

Der Hamburg Marathon ist von seiner Streckenführung sicher einer der schönsten Stadtmarathons in Deutschland.

Für mich war der 23. April 2017 – soviel sei vorweggenommen - der läuferisch beste Tag in meinem Leben hier konnte ich die Operation „unter 3:30“ im 3. Anlauf abschließen.

Bei meinem 1. Marathon 2015 in Dresden war ich knapp daran gescheitert. Beim darauffolgenden Versuch mit Christoph und Klaus in Hannover 2016 verfehlte ich die 3:30 Marke ebenfalls.

Die Wetterprognose hatte den typischen April im Visier. Regen und starke Windböen waren angesagt. Da wir am Vortag angereist waren, konnten wir auf der Laufmesse in Ruhe die Startunterlagen holen und ein Bier des Sponsors probetrinken.

Klaus hatte Startblock D und ich E bekommen. Nach einem letzten Austausch über die Renntaktik verabredeten wir uns zu 8:00 Uhr – der Start sollte 9:00 Uhr sein. Etwas Einlaufarbeit und Carbo-Loading und zeitig schlafen. Der Marathon kann kommen

Am Sonntag auf dem Messegelände angekommen stellten wir fest, dass sich fast 16.000 Starter doch ganz schön „breitmachen“. Trotz unzähliger Dixi-Klos gab es Schlangen. Das Wetter hatte sich leider auch für „regnerisch“ entschieden, sodaß unsere Einlaufphase etwas verkürzt wurde.

...vor dem Start...

Wir fühlten uns gut, ich hatte mir ein Armband mit den 5km Zeiten und den „Treffpunkten“ mit Ines und Tim am Arm festgeklebt. Klaus versprach im Ziel auf mich zu warten und ich versprach nicht zu lange zu „trödeln“.

Ich ging zu meinem Startblock „E“ und stelle fest, dass es noch erfreulich leer war und ich mich damit noch ein bißchen bewegen konnte. Schnell ist der Kontakt zu anderen Läufern hergestellt. Zeiten werden verglichen und Strategien ausgetauscht. Um mich herum eigentlich alles Profis. Mindestens 10 – 15 Marathons in den „Knien“ und die entsprechende Erfahrung. Der Regen hat aufgehört und die Sonne kommt raus.

Pünktlich um 9:00 Uhr steigen die rot-weißen Luftballons in die Höhe und die erste Reihe sprintet los. Ich mache mich darauf gefasst, dass es jetzt so 5 Minuten dauert, bis ich dran bin. Die Ordner haben jedoch die Barrieren weggeräumt und so dauert es nur 2 Minuten bis ich ebenfalls die Startlinie überquere.

Uhr gedrückt und los geht’s.

Die Vorgabe war 4:50 Pace bis km 35 und dann schauen, was im „Tank“ ist. Die ersten 1 – 2 km komme ich gut in Trab. Die übliche Euphorie ist da, aber das dichte Feld verhindert einen zu schnellen Start. Nach dem ersten Kilometer beginnt es zu regnen. Okay, war angesagt – müssen alle durch. Kurz darauf setzt Hagel ein. Ziemlich fies vom Wettergott – vor allem für die Zuschauer. Mir macht das Wetter wenig aus, ich bin warm, habe Handschuhe.

Bei km 2 stehen Ines und Tim – hier wollte ich die Handschuhe abgeben, was ich nun natürlich schön sein lasse. Um mich herum ist die Stimmung super. Einige unterhalten sich, andere arbeiten angestrengt ihre Lauf-Playlist ab. Ich habe die Kopfhöhrer ebenfalls um den Hals und werde Sie mir über die Ohren stülpen, wenn ich meinen „Tunnel“ brauche.

Ein Blick auf das Display zeigt – Schnitt 4:48. Super. Die ersten 5km sind durch, ich starte den Rundencounter neu, um den aktuellen 5km-Schnitt weiter zu prüfen. Es geht sanft bergab und ich lasse mich hier „herunter-trudeln“. Momentan-Pace geht Richtung 4:40, 4:35 aber bremsen werde ich hier nicht. Irgendwann muß ich die km auch wieder hoch.

Wir kommen zu den Landungsbrücken – hier ist der Super-Fotopunkt, da die Brücke hoch über der Straße einen guten Überblick für die Zuschauer bietet. Das April-Wetter ist auf Sonnenschein umgestiegen. Apropos Zuschauer. Die Begeisterung, mit der die sonst eher unterkühlten Hanseaten an der Strecke hier anfeuern, ist einmalig.

...wir kommen zu den Landungsbrücken......ein super Fotopunkt...

Weiter zu km 12, dort wartet meine Frau wieder. Kurz winken. Zeit ist prima – ca. 1s unter 4:50. Ach die Handschuhe wollte ich doch – schnell in Richtung Ines werfen - sie landen hinter dem Zaun auf der Laufstrecke. Mist. (Ein freundlicher Läufer hat sie Ines aber noch über die Absperrung geworfen).

In der Zwischenzeit bin ich im Wallringtunnel angekommen. Immer wieder eine tolle Atmosphäre durch einen Autotunnel zu laufen. Zu Anfang keine Musik, also nur das rhythmische Stampfen der Laufschuhe auf Asphalt. Gänsehaut. Zum Ende hin höre ich Trommeln, tausendfach im Echo des Tunnels. Erinnert ein wenig an den Stadioneinlauf beim Big25 in Berlin.

Ich fühle mich super – aber hey – bei km 14 fühlt sich im Marathon jeder super. Der Jungfernstieg ist zu sehen und wir laufen an der Binnenalster. Gel und Salz einwerfen. Immer noch säumen Menschenmassen die Laufstrecke und jubeln frenetisch. Ich unterhalte mich etwas mit einem athletischen End20er. Nach seiner Zielzeit gefragt, meint er „so 3:20“ wären gut. Kurzer Blick auf meine Uhr. Dafür bist du mit 4:50 aber etwas langsam unterwegs. Nein, er laufe die ersten 21km im 5er Schnitt und die nächsten 21km mit 4:30. Respekt.

Wir kommen auf Deutschland berühmtester Trainingsstrecke an, der Außenalster. Kurz darauf ist die Halbmarathon-Marke in Sicht. Nicht irritieren lassen von der offiziellen Zeit - bei mir sind 2 - 3 Brutto-Minuten drauf. Halbmarathon bei 1:42 - schick. Alles im Plan.

Wieder Hagel - gepaart mit kalten Wind. Jetzt hätte ich gern meine Handschuhe wieder!

Freue mich schon auf km 26 - dann gibt es Eigenverpflegung von Ines zu trinken und meine Handschuhe zurück. Nichts Spektakuläres in meiner Trinkflasche, aber das eiskalte Wasser an den Verpflegungsständen ist nicht wirklich optimal. Ein Königreich für etwas Lauwarmes!!

Neue Gels von Ines und Tausch meines durchgeschwitzten Buffs waren für km 26 vereinbart. Dort angekommen trinke ich und lasse mir von Ines meine Salzdose - kalte Finger - öffnen. Ich liege gut in der Zeit und verbringe fast eine Minute um kurz Updates von der Strecke zu liefern.

Weiter geht es - meine Laufuhr zeigt einen aktuellen Pace von 5:15 - locker bleiben, wenn man fast 1 Minute steht ist das halt so.

Wo habe ich eigentlich die Handschuhe, die ich jetzt mitnehmen wollte und viel wichtiger - Wo ist mein Salz? Schreck! Wir hatten für km 31 ausgemacht, dass Ines und Tim dort wieder stehen wollten. Aber km31 war der einzige „Wackelkandidat“, da mit der U-Bahn nur knapp zu erreichen. Kann also sein, dass sie es nicht schaffen. Dann sehe ich sie erst bei km 39 wieder.

Naja, das Wetter ist wieder auf Sonne zurückgeschwenkt. Handschuhe sind also nicht so wichtig – mein Salz hätte ich aber schon gern zurück. Lassen wir uns überraschen bei km 31. Mein 5km hat sich wieder in Richtung 5min orientiert - trotz Unterbrechung.

Immer noch läuft alles super. Keine „schweren Beine“ und keine Belastungserscheinungen über die langsam einsetzende Erschöpfung hinaus.

Km 30 - der Mann mit dem Hammer… sollte hier stehen und auf mich warten. Sollte … , denn hier in Ohlsdorf stehen nur Zuschauer und feuern die vorbeiziehenden Marathonis an. Der Hammer-Mann läßt sich bei mir nicht blicken. Fein. Ich Halte nach der Co-Trainerin Ausschau, hoffentlich hat sie es mit Tim zu km31 geschafft, um mir mein Salz wiederzugeben.

Zeit ist super, Schnitt so 4:51 / 4:52 - etwas langsamer darf ich werden, die Endbeschleunigung soll sich ja noch etwas unterscheiden vom Rest des Laufs. Da ist Ines - super. Mein Salz, etwas trinken und weiter.

Die letzten 11km. Wann setzte ich die Endbeschleunigung an? Im Training hatten wir sie 12km und zum Schluss bei 15km trainiert. Aber natürlich nicht mit 30km „einlaufen“. Ich beschließe weiterzulaufen und auf km 39 zu warten. Dort ist der letzte Treffpunkt mit Ines - da flitze ich dann los. Also weiter mit 4:52 im 5er Schnitt. Red Bull bei km 36 - jetzt fahren sie alles auf. Verleiht Flügel für die letzten 6,2km.

Heute nehme ich alles mit, also her mit der Gummibärenbrause - schmeckt immer noch, wie meine letzte Dose vor gefühlt 10 Jahre.

Irgendwie habe ich heute schon Flügel. Der Hammer-Mann schlägt bei ein paar meiner Mitstreiter zu, die jetzt stehen - sich die Wade massierend oder humpeln gehend vorankommen. Mich lässt er heute in Ruhe.

Massage-Station bei km 38. Tolle Sache - wünschte, das gäbe es bei allen Marathons. Heute brauche ich nichts. Nur die nächste Getränkestation um das klebrige Redbull von meinen Fingern runter zu waschen.

Meine Frau wartet mit Tim bei km 39 zum letzten Mal. Der Zieleinlauf ist großflächig abgesperrt und so hatten wir uns für hier verabredet. Heute klappt alles, heute „läufts“ im wahrsten Sinne des Wortes. Die beiden sehen, dass es mir gut geht und ich beschließe die Endbeschleunigung anzugehen. Neue Runde drücken und loooos.

Ist das ein tolles Gefühl. Es geht leicht bergauf den Mittelweg und ich kann die Läufer vor mir überholen. Wow, die Endorphine spielen mit und lassen mich regelrecht schweben. Das erste große Tor taucht auf (km 40 glaube ich). Unglaublich wie gut es hier läuft. In Hannover und Dresden war ich hier auf dem Zahnfleisch. Heute nicht - heute ist mein Tag!! 4:45 als Schnitt im Display - yeah! Verpflegungstand bei km 40 mit Eigenverpflegung (?). Welche Wundermittel mögen hier drin sein, die noch auf 2km ihre Wirkung entfalten können?

Mein Wundermittel heute heißt Endorphin. Km 41 - die Staffeln werden auf eine separate Bahn geführt. Oh Mann, noch 1,2km - jetzt nochmal alles rein. Die Uhr zeigt 4:41 und da ist er - der rote Teppich vor dem Ziel - noch ein paar Läufer überholen und dann schreie ich meine Erleichterung heraus. Ich habe es geschafft, die 3:30 zu pulverisieren - 3:27 irgendwas und ich fühle mich phantastisch.

Klaus wartet im Ziel und kann als Erster gratulieren. Er hatte ebenfalls einen „Superlauf“ unter 3:20 mit einem negativen Split auf der 2. Hälfte. Der erste Anruf geht an Ines. Sie weiß - auch dank der hervorragenden Website für den Hamburg Marathon - längst Bescheid und freut sich riesig. Jetzt werden die Medaillen übergeben und ich bin stolz wie Bolle. Für den Rest des Tages lege ich die Medaille nicht mehr ab.

2017.04.23 Hamburg Marathon

Die Verpflegung in den Messehallen ist üppig. Kommen ja auch noch ca. 14.000 nach mir ins Ziel. Da es doch etwas zieht, nehme ich Suppe zu Bananen und Keksen. Sachen die man sonst wohl kaum mischen würde. Als ich meinen Kleiderbeutel abhole ist ein Schild „Massage“ in einem Absperrbereich gekennzeichnet. Normalerweise mache ich mir keine Hoffnungen dranzukommen, heute bin jedoch „zeitig dran“. Tatsächlich - ca. 20 Teams zu je 2 Masseusen sind bereits kräftig beim Krampf entfernen. Fein.

Nach ca. 20 Minuten stehe ich unter einer Dusche die den Strahl einer versiegenden Kindergießkanne hat. Alles passte heute, alles war perfekt – irgendwie braucht das Karma jetzt eine Pause. Wenn es dann die Dusche sein muß – ok.

Danke an Marathon-Trainer Klaus und die Unterstützung beim Training sowie die vielen Tipps auf und neben der Strecke.

Text: Matthias Allmich / Bilder: Ines Schwab/Klaus Bentele